SJV-News

Der Überzeugungstäter

Fred Oberhauser war den Schriftstellern mit Begeisterung auf der Spur

11.02.2016

Am Wochenende ist unser langjähriges Mitglied Fred Oberhauser (Fotos: Ulli Wagner) gestorben. Im hohen Alter von 92 Jahren. Er war ein Überzeugungstäter, sagt SJV-Kollege Stefan Miller und so hat er auch seinen Nachruf auf seinen früheren Chef betitelt. Ich habe Fred Oberhauser eigentlich erst nach dessen aktiver Zeit auf dem Halberg kennen- und schätzen gelernt. Bei seinen vielfältigen Aktivitäten für Kultur und Literatur in diesem Land, in der Siebenpfeiffer-Stiftung, auf der Buchmesse in Leipzig oder als Gast in unserer Reihe „Journalisten als Zeitzeugen“ im Zeitungsmuseum in Wadgassen. Es ist noch kein Jahr her, dass er uns dort einen spannenden und emotionsgeladenen Abend bescherte und uns ungewohnten Einblick in sein (Privat-)Leben gewährte. Da flogen die Erinnerungen nur so durch den Raum, da wurde viel gelacht, aber auch manche Träne vergossen. Denn Fred Oberhauser war immer ganz dabei, mit jeder Faser und mit allen Sinnen. Und wenn er sich für etwas eingesetzt hatte und es dann umgesetzt wurde, da wurden die Augen vor Rührung auch schon mal feucht. Zum Beispiel am 15. März 2015, als wir nach der Verleihung des Siebenpfeifferpreises an Glenn Greenwald alle zusammen auf der Bühne standen und „Die Gedanken sind frei“ und „We shall overcome“ gesungen haben. Das ist meine liebste Erinnerung an Fred: engagiert, gerührt und auch ein bisschen stolz - auf sich und uns und darauf, was wir hier so auf die Beine stellen. Ulli Wagner



Ein Nachruf von Stefan Miller


Wenn er die Bundesliga im Fernsehen verfolgte, hatte er meistens zwei Bücher vor sich, auf jedem Oberschenkel eines. Er suchte Zitate heraus und recherchierte, wo Schriftsteller etwas geschrieben hatten. Dann sah er sich die Welt mit den Augen der Literaten an und sah sie verwandelt. Diese Verwandlung nannte er literarische Topographie. Sie hat ihn zeitlebens so begeistert, dass er zusammen mit seiner Frau Gabriele den literarischen Führer durch Deutschland schrieb, das Standardwerk schlechthin, wenn man wissen will, wo ein Schriftsteller Spuren hinterlassen hat. Leider reichte der Platz nicht, um all das aufzunehmen, was Fred wusste. Dem westdeutschen Führer folgte ein literarischer Reiseführer durch Berlin und ein gesamtdeutscher mit fast 1.500 Seiten. Auch das war noch zu wenig. Bis zu seinem Tod sammelte Fred Oberhauser weiter Informationen, um Schriftseller in Szene zu setzen, ihre Arbeit vor dem Vergessen zu bewahren. Noch mit 92 Jahren versuchte er, der kein Internet hatte und noch nicht einmal Schreibmaschine schrieb, sondern alles mit der Hand notierte, ein Literaturportal Saarland im Netz zu gründen.

Trotz seines emsigen Fleißes und seines Elefantengedächtnisses und obwohl er Professor h.c. wurde, Fred Oberhauser war nicht in erster Linie Wissenschaftler sondern Überzeugungstäter. Schon in russischer Kriegsgefangenschaft veranstaltete er literarische Abende, an denen er Gedichte auswendig rezitierte, nachdem er tagsüber unter Tage geschuftet hatte. Später als Literatur- und Kulturredakteur beim Saarländischen Rundfunk versuchte er Hörer und Zuschauer mit seiner Begeisterung anzustecken, und das gelang. Wer einmal mit Fred Oberhauser durch Lothringen gefahren ist, hat von dieser Region mehr verstanden, als nach der Lektüre von dicken Historienschinken. Mühelos stellte er Bezüge von den Kelten bis Robert Schumann her, erläuterte, warum der Bahnhof in Metz ein politisches Denkmal ist, was die Hauptstraße in Fenetrange mit einem Roman des Barockdichters Moscherosch zu tun hat, oder folgte den Spuren Gustav Reglers über den Saargau. Und wenn er die Autoren mit empathischen Aussagen über diese Region zitierte, rührte es ihn selbst so, dass er Tränen in den Augen hatte und auch seine Begleiter hingerissen waren. So sind wir häufig über Land gefahren. Seine Leidenschaft war sprichwörtlich. Wenn er etwa für die Gedenktafel zu Ehren Goethes am Ludwigsplatz kämpfte, kannte er kein Pardon. Sein Lachen hallte durch die ganze Kantine des Saarländischen Rundfunks.

Als ich meinen ersten Beitrag für seine Literaturredaktion machte, beschimpfte er mich, weil ich ihn gesiezt hatte: „Du Lazeroner, wenn du das noch ämol machschd, gebschde enna aus“. Wir fuhren oft übers Land, und er hat mir gezeigt, dass es eine Verbindung gibt, zwischen historisch fundiertem Weitblick und der Verwurzelung in der saarländischen Heimat. Das hat er dann auch in seinem Dumont Kunstführer Saarland brillant vorgeführt. Diese lebendige Art der Kulturvermittlung, ob im Fernsehen im Kulturspiegel, der Serie Fahren sie uns nach oder in der Bücherlese im Radio. Er hat uns gelehrt dieses Land zu lesen.

Wer kann das heute noch? Ach, er reißt eine Lücke.
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