Viele freie Bildjournalisten haben wegen der gnadenlosen Honorarsenkung durch Redaktionen kaum noch ein Auskommen. Viele bangen um ihre Zukunft, Jüngere fragen sich, ob der Beruf überhaupt noch Zukunftsperspektiven bietet. Wir fragten Hans Reinhard, der unter der Agentur “Reinhard-Tierfoto” als Bildjournalist tätig ist, nach seiner Einschätzung und Strategie in einem der härtesten Märkte des Journalismus.
bildjournalisten: Herr Reinhard: Der Bildjournalismus ist tot, es leben die 1-Euro-Agenturen. Ein bekannter Kollege hat kürzlich sein gesamtes Archiv verkauft und Schluss gemacht, mit Hinweis auf diesen Preisverfall. Anders gefragt: Sie sind Sie ein Auslaufmodell im Journalismus, wann steigen Sie denn aus?
Reinhard: Ich glaube nach wie vor nicht, dass der Bildjournalismus tot ist. Ein Gutes Bild ist immer noch ein gutes Bild. Viele andere Faktoren spielen heute allerdings auch noch eine Rolle und dabei ist die Vermarktung gar nicht vorrangig zu nennen. Die Themen von heute sind Erkennbarkeit/Individualität und Vernetzung. Kundenpflege und Service sind wichtiger denn je, automatische Abwicklung ohne Profil machen ja schon die Anderen. Außerdem bin ich “erst” 41 (bisschen zu jung für ein Auslaufmodell), es gibt noch jede Menge zu fotografieren und mir hat noch keiner den entsprechenden Gegenwert für mein Archiv geboten.
bildjournalisten: Einige Kollegen haben kürzlich die drastische Feststellung gemacht, der Berufsstand sei erledigt. Wie sind Ihre Beobachtungen in Ihrem Umfeld, bei Kollegen, die Sie von früher kennen, auch außerhalb der Fachfotografie?
Reinhard: Ja, kein Zweifel, es wird schwieriger. Die Kunden werden weniger, und zahlen wollen Sie meistens auch immer weniger. Die neuen Kunden im Netz wollen oft gar nichts mehr zahlen - nach dem Motto: “freie Daten für alle”. Es ist an uns Profis, den Wert eines Bildes wieder mehr zu betonen. Natürlich erschafft ein Bildjournalist nicht Fotokunstwerke am laufenden Band, aber zur richtigen Zeit am richtigen Platz mit adäquater Technik und dem nötigen know how ist dann eben doch meistens kein Blogger von Bild, sondern ein erfahrener Bildjournalist. Ich bekomme ständig fantastische Motive aus aller Welt gezeigt, verbunden mit der Frage:”Warum hast Du denn sowas noch nicht gemacht?” Meine Antwort:”Fantastisches Bild - Gratulation.Tut mir leid, ich kann eben nicht überall sein.”
bildjournalisten: Tierfotografie kann ja kaum ein Markt für viele Fotografen sein. Es gibt ja viele andere Fachthemen in Magazinen und Zeitungen. Wie schätzen Sie die Perspektiven fachbezogenen Bildjournalismus ein?
Reinhard: Natürlich ist die Tierfotografie (wir haben schon seit Jahren unser Spektrum erweitert und widmen uns inzwischen allen Aspekten der Natur) ein Nischenmarkt. Ich habe vor einigen Jahren gelesen, Tierfotografie hat in den Publikationen einen Stellenwert von ca. 3 %, Tendenz eher fallend.
In der Tierfotografie haben wir uns nie als reine Abbilder verstanden, wir wollten immer auch Schützer und Dokumentaristen sein. Dafür sind wir oft harsch kritisiert worden, nach dem Motto wir würden nur Heile-Welt-Fotografie abliefern. Wir haben allerdings immer versucht, die Natur in ihrer ganzen Schönheit darzustellen, als schützens- und erhaltenswert. Heute sind diese Bilder oft Dokumente für eine vergangene inzwischen zerstörte Natur.
So verändern sich oft Themen und genauso hat ein Fachjournalist die Möglichkeit, ich würde sogar sagen die Pflicht, Themen anzustoßen und zu dokumentieren. Der fachbezogene Bildjournalismus, egal in welchem Bereich, bereichert unser Wissensspektrum und ist in einer von Medien und Meinungen überfluteten westlichen Welt auch wichtiger denn je.
bildjournalisten: Was raten Sie Kollegen, die den Fokus auf andere Nischen setzen wollen? Gibt es eine Art Philosophie, mit der man/frau vorgehen sollte? Es gibt Kollegen, die wissen gar nicht mehr, wie es weiter gehen soll. Wie finde ich überhaupt zu einem Fachthema, das mir liegt?
Reinhard: Wie bereits erwähnt sind Nischen ein guter Einstieg, da man (natürlich je nach Größe der Nische) eine bessere Chance hat sie auszufüllen und sich darin zu profilieren. In unserem Beruf finden oft nicht die Journalisten die Nische, sondern die Nische findet den Journalist. Von der krampfhaften Suche nach einem Betätigungsfeld kann nur abgeraten werden, jeder Journalist weiß um seine Stärken und Schwächen und sollte hoffen, ja hoffen, dass der nächste Auftrag eher auf der starken Seite liegt. Am Ende muß immer ein für den Kunden gutes Ergebnis stehen.
Egal welche Nische, der Kunde sollte am Ende sagen: “Wow, toll, so hätte ich das nie hingekriegt.” Wir haben uns im Lauf der Jahre ständig erweitert, etwas Neues ausprobiert, uns neue Themenbereiche erschlossen. Wir sind von der Tierwelt Deutschlands quer durch die ganze Welt gezogen, haben immer öfter auch Pflanzen fotografiert und arbeiten heute verstärkt in den Bereichen Gartengestaltung und Wellness. Sie sehen, wie groß das Spektrum/die Nische geworden ist. Ich erinnere mich an Yann Artus-Bertrand, der damit anfing französischen Nutztierrassen ein Gesicht zu geben und danach die Welt von oben betrachtet hat, auch kein vorhersehbarer logischer Weg.
bildjournalisten: Sie vermarkten ihre Bilder über das DJV-Bildportal. Welche Rolle spielt dieser Vertriebsweg für Sie, setzen Sie andere Vertriebsplattformen und Agenturen ein?
Reinhard: Das DJV-Bildportal hat für uns eine stark zunehmende Bedeutung als Vermarktungsplattform. Wir stehen natürlich auch direkt mit unseren Kunden in Verbindung und haben Agenturen, die unsere Arbeiten vertreten. Das DJV-Bildportal ist für uns eine geradezu ideale Möglichkeit für unsere Kunden im Netz präsent zu sein. Es ist unser Baby, von den Fotografen für Ihre Kunden, Top-Qualität aus allen Themenbereichen, schnell und zuverlässig.
bildjournalisten: Können Sie grob sagen, welche Prozentsätze Ihre Vertriebswege haben (Portalvermarktung, Agenturvermarktung, Direktvertrieb/FTP/Mail an Zs/Tz…)?
Reinhard: DJV-Bildportal 10%, Agenturen 30%, direkter Kundenkontakt 60%.
bildjournalisten: Kann man eigentlich alleine arbeiten, oder muss man auf ein Team (Ehe-/Lebenspartner, Angestellte, Kinder) setzen, das einem beim Vertrieb hilft?
Reinhard: Ein funktionierendes Team macht es auf jeden Fall einfacher. Wir sind ja doch öfter über längere Zeiträume einfach weg, so etwas kann man keinem Kunden zumuten. Wie das Team aussieht, entscheidet natürlich die jeweilige Lebenssituation, aber auch das zu bewältigende Arbeitsaufkommen und der Geldbeutel.
bildjournalisten: Welche Rolle spielt die Verschlagwortung bei der Arbeit? Hauptsache? Lästige Nebensache? Anspruchsvoller Job oder überschätzter Hype?
Reinhard: Mein Lieblingsthema. In unserem Bereich ist eine gewissenhafte, von Fachleuten durchgeführte Verschlagwortung unerlässlich. Das ist eben eines der Merkmale, das wir verstärkt nutzen müssen, um uns am Markt abzuheben. Wir müssen für unsere Kunden mitdenken, was könnte wann gesucht werden. Auch eine punktuelle Nachverschlagwortung ist unerlässlich, sollten neue Teilaspekte eines Themas aktuell werden. Man muss einen Schritt zurücktreten und einmal rund um das Motiv laufen und versuchen, möglichst viele Aspekte der Aufnahme in den Schlagwörtern zu erfassen. Ich weiß, das gelingt nicht immer in Perfektion, oft ist auch einfach die Zeit zu knapp, aber jeder sollte sich der Bedeutung dieses Instruments bewusst sein.
bildjournalisten: Muss man heute bloggen, twittern, facebooken als Bildjournalist - oder geht es auch (weitgehend) noch ohne?
Reinhard: Wir sind nicht so stark an die tagesaktuellen Themen gekoppelt, wie viele unserer Kollegen. Ich wüsste auch nicht genau, ob ich mit einem Blog wirklich sinnvoll meine Kunden erreichen würde. Ich nutze es privat, um mit Freunden Kontakt zu halten, beruflich fehlt mir leider oft jegliche Zeit, um eine weitere Baustelle aufzumachen. Denn darüber sollte sich jeder im Klaren sein, mit einer bloßen Präsenz ist es nicht getan. Jede neue Darstellung muss gepflegt werden, jeder Comment muss geschrieben oder gelesen werden, nur da sein ist nicht genug.
bildjournalisten: Ich bin Bildredakteur, brauche ein gutes Foto. Kann - oder sollte ich sogar - einmal bei Ihnen ganz unverbindlich zum Plausch anrufen - oder stört das (in der Produktion)? Kommt das sogar öfter vor?
Reinhard: Ich freue mich immer, wenn ein Redakteur anruft, wahrscheinlich natürlich auch, weil diese Anrufe so selten geworden sind. Heute sind nicht nur die Produktionsprozesse aufgespalten, sondern auch die Herstellungsprozesse. Nur in wenigen Fällen, sprich bei wenigen Publikationen, liegen alle Fäden noch in einer Hand. Die Bildbestellung erfolgt aus zentralen Bildredaktionen, die oft in anderen Städten liegen wie die eigentlichen Redaktionen, oft sogar über externe Bildbeschaffer. Der Grafiker sitzt auch nicht an derselben Stelle, hat aber ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Oft weiß der Bildredakteur auch gar nicht so genau, was der Redakteur sich eigentlich vorstellt. Wünsche werden präzisiert, ganze Themenblöcke werden kurzfristig gecancelt, weil die Farbe der Blume nicht zur Grafik passt. Alles muss natürlich immer ganz schnell gehen und als Nachrichtenbasis fungiert die E-Mail. Die Vorteile für alle Beteiligten liegen auf der Hand. Nachrichtensicherheit, einfaches Weiterleiten, Präzision und Schnelligkeit.
bildjournalisten: Sie sind wieder 19 Jahre alt. Würden Sie noch einmal als Bildjournalist starten?
Reinhard: Mit 19 sah meine Lebensplanung noch leicht anders aus. Ich arbeitete im Krankenhaus, wollte Krankenpfleger werden. Keine verlorene, eine wichtige lehrreiche Zeit.Im Nachhinein bin ich aber doch sehr froh, dass es in Richtung Fotografie und Journalismus ging. Es ist immer noch und immer wieder ein Traumberuf. Jede Veränderung ist auch immer eine Herausforderung, mit der man es aufnehmen muß. Neue Technik, neue Arbeitswelten, neue Absatzwege und neue Ziele. Keiner kann in die Zukunft schauen, wo unser Beruf in 10 Jahren steht, ist schwer zu sagen, momentan haben wir auch genug damit zu tun die Gegenwart zu meistern.
Das Interview mit Hans Reinhard wurde mit Michael Hirschler im Febuar 2011 für den Bildjournalisten-Blog per E-Mail geführt.
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Hans Reinhard
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Bildportal: www.reinhard-bildportal.de